Manchmal ist es aber nicht ganz so einfach, die richtige Inspiration zu finden. Dieser Beitrag ist eine zusammenfassende Übersetzung eines Artikels von Robin D. Laws welcher im Original in Blood on the Snow erschienen ist, dem Ergänzungsband zu Hillfolk (DramaSystem). Ich denke, auch in anderen Rollenspielen kann man diese Methode zur Inspiration gut nutzen. Selbst in klassischen Systemen dürfte es zumindest für SL interessant sein, sofern man Handlungen von den Motivationen der Figuren ableiten will.
Nutze deine Motivation (Desire)
Bevor du über irgendetwas anderes nachdenkst, erinnere dich, welche Motive dein Charakter hat. Frage dich, wie man diese in der gegenwärtigen Situation verfolgen könnte. Frage dich:
- Was ist meine Motivation?
- Welches praktische Ziel bringt mich näher an die Erfüllung meiner Motivation?
- Wer, sei es ein Protagonist oder eine Nebenfigur, kann dir am besten dabei helfen?
- Welches emotionale Bedürfnis benötige ich dafür? (typische Antworten: Kooperation, Gehorsam, Bündnis, Unterstützung)
- Wie kann ich das möglicherweise bekommen?
Nutze dein Bauchgefühl
DramaSystem ist ein Spiel der Gefühle, in dem Charaktere mit der emotionalen Währung aus Akzeptanz und Zurückweisung hantieren. Sei dir stets bewusst, was dein Charakter gerade empfindet. Wenn du dir darüber nicht klar bist, denke an die letzte Szene zurück, an der du beteiligt warst. Überlege, mit welchen Empfindungen dich das zurückgelassen hat. Frage dich:
- Wie empfindet mein Charakter gerade?
- Wenn es ein negatives Gefühl ist:
- An wen kann ich mich wenden, um dem abzuhelfen?
- Was genau will ich von demjenigen?
- Wie kann ich versuchen, das zu bekommen?
- Wenn es ein positives Gefühl ist:
- Wie kann ich darauf aufbauen? wozu könnte mich die damit verbundene Selbstsicherheit treiben? Was könnte ich versuchen?
- Wer kann mir dabei helfen?
- Wie kann ich denjenigen dazu bringen, mir zu helfen?
Spiele das Thema
Am Ende der Episode wirst du gefragt, wie du deinen inneren Konflikt (Dramatic poles) im Zusammenhang mit dem Thema der Episode ausgespielt hast. Mache es dir einfach, indem du explizit das Thema anspielst. Frage dich:
- Ähm, was war nochmal das Thema?
- Wie hängt meine Situation mit dem Thema zusammen?
- Was kann ich tun, um das hervorzuheben?
- Wer kann mir hierbei helfen?
- Wie kann ich diese Hilfe bekommen?
Erschaffe einen Dreh- und Angelpunkt
Dein innerer Konflikt erlaubt dir, einen ambivalenten Charakter zu spielen. Dies macht ihn in emotionsgeladenen Situationen unvorhersehbar. Um einen unterrepräsentierten Aspekt ins Spiel zu bringen, frage dich:
- Welchen Aspekt habe ich bei meiner letzten Szene angesprochen?
- Wie könnte ich mich hin zum Gegenpol bewegen?
- Welchen Charakter könnte ich gebrauchen um mich dort hin zu bringen?
- Welches emotionale Bedürfnis würde diese Bewegung erfüllen?
- Welche Herangehensweise ermöglicht mir, dieses Bedürfnis zu stillen.
Gib jemandem anderes einen Dreh- und Angelpunkt
Wenn du etwas von einem anderen Charakter willst, aber Probleme hast, das zu erreichen, denke an dessen inneren Konflikt (frag im Zweifel einfach nach). Wenn dir der Charakter aus der einen Perspektive wiedersteht, versuchs anders herum mit dem Gegenpol.
In ähnlicher Weise kannst du auch einfach die Kernaspekte eines anderen Charakters als Inspiration für eine Szene nutzen. Frage dich:
- Welcher andere Charakter hat einen seiner Aspekte sehr übermäßig und einseitig bespielt?
- Was ist der vernachlässigte Gegenpol dabei?
- Welche Angelegenheit könnte ihn dazu bringen, umzuschwenken?
- Welches Bedürfnis erfüllt das für dich?
- Welche Vorgehensweise ermöglicht dir, dieses Bedürfnis zu stillen?
Nutze eine Beziehung
Dieser Tipp geht von einer einfachen objektiven Frage aus:
- Mit welchen Charakter hast du länger nichts zu tun gehabt?
Es spielt keine Rolle, ob du den Charakter wählst, mit dem deine letzte Begegnung am längsten her ist. Es ist wichtiger, zügig jemanden zu nehmen, um deine Szene aufbauen zu können.
- Was ist mein größtes derzeitiges Problem?
- Wie könnte dieser Charakter mir helfen, es zu lösen?
- Welches emotionale Bedürfnis spricht das bei mir an?
- Welche Vorgehensweise ermöglicht dir, dieses Bedürfnis zu stillen?
Überprüfe deine Zugeständnisse
Es ist leicht, in die Gewohnheit zu verfallen, Szenen zu spielen, in denen man selber der Bittsteller (Petitioner) ist. Denke daran, daß es dazu keinen Zwang gibt. Du kannst genauso auch eine Szene machen, in der jemand anderes auf dich zukommt, mit einem Anliegen. Dies dürfte die ideale Methode sein, wenn du allzu leicht Probleme damit hast, Szenen einzuleiten. Denn zum einen ist dein Mitspieler hier der Antreibende und zum anderen ist die Frageliste hier am kürzesten:
- Wer will etwas von mir?
- Was ist es?
- Wo könnte derjenige mich treffen?
Spiele einen neuen Charakter an
Wenn du dir keinen existierenden Charakter vorstellen kannst, mit dem du gerade sinnvoll interagieren kannst, erschaffe einen neuen und bitte ihn um etwas. Frage dich:
- Was ist mein größtes derzeitiges Problem?
- Welche Art Person könnte ich kennen, die noch nicht mitgespielt hat, aber mir helfen könnte?
- Wie heißt diese Nebenfigur?
- Was für eine Art Hilfe könnte derjenige anbieten?
- Welches emotionale Bedürfnis spricht das bei mir an?
- Wie überzeuge ich diese Nebenfigur, mir zu helfen?
Erschaffe einen neuen Charakter, der etwas von dir will
Diese Möglichkeit erzeugt ein neues Storyelement und gibt dem Spielleiter die Zügel in die Hand. Eine neue Nebenfigur kommt dabei auf dich zu. Frage dich:
- Was ist mein größtes derzeitiges Problem?
- Wie könnte ein Fremder in der Lage sein, mir dabei zu helfen, selbst wenn ich ihn noch nie getroffen habe?
- Was könnte sein Name und seine Rolle in der Welt sein?
- Warum kommt er anfangs auf mich zu?
- Was hindert mich, seinem Anliegen einfach so ohne weiteres statt zu geben?
Bring dich in Schwierigkeiten
In dramatischen Erzählungen treiben externe Ereignisse die Handlung voran indem sie Konflikte zwischen den Protagonisten intensivieren. Ärger wird eingebracht, wenn hinreichend Druck auf die Charaktere fehlt. Komme dem zuvor, indem du eine Komplikation ins Spiel bringst, die den Druck auf dich erhöht.
Spieler zögern manchmal, die Handlung voranzutreiben, weil sie nicht wollen, dass ihr Charakter unsympathisch wirkt. Oder sie befürchten, dass die anderen Spieler ihren Vorstoß als zu aggressiv ansehen Komplikationen, die extremes Verhalten rechtfertigen, bewahren die Sympathie und die Gruppendynamik, während sie zu fesselndem Erzählen beitragen.
- Was ist mein größtes derzeitiges Problem?
- Welches äußere Ereignis würde das noch verstärken?
- Wer würde mich vielleicht dazu bewegen?
- Was benötige ich von demjenigen?
- Wie bekomme ich das?
- Wer wird im Nachhinein vermutlich etwas von dir wollen?
- Was wird das wohl sein?
Bring jemanden anderes in Schwierigkeiten
Auch wenn es die vorrangige Aufgabe des Spielleiters ist, die Spannung mittels Druck auf die Protagonisten hoch zu halten und das was bei dramatischen Interaktionen auf dem Spiel steht zu schärfen, ist es auch dir explizit erlaubt das Gleiche zu tun. Du kannst Szenen eröffnen, die vorrangig andere Charaktere beeinflussen. Frage dich:
- Welcher Protagonist hat es derzeit am leichtesten?
- Was ist dessen größtes derzeitiges Problem?
- Welches externe Ereignis bringt es zum Vorschein?
- Wenn sich das Geschehen entfaltet, wird derjenige einen emotionalen Ausgleich wollen? Welche Art von Ausgleich könnte das sein?
- Wenn das nicht der Fall ist: Warum gibt mir das eine Öffnung, umgekehrt etwas von demjenigen zu wollen?
- Was würde ich wollen und wie versuche ich das zu bekommen?
Bring alle in Schwierigkeiten
Wenn es generell schwierig ist, Anhaltspunkte für Szenenaufhänger zu finden, liegt das meist daran, daß es nicht genug fesselnde Handlungsfäden gibt. Leite eine allgemeine Krise ein, die dir etwas Neues zu tun gibt oder ein zu starres Kräfteverhältnis innerhalb der Protagonisten erschüttert. Frage dich:
- Welches äußere Ereignis würde den status quo durchbrechen?
- Wie bin ich darin involviert?
- Zu wem würde ich deswegen gehen?
- Welchen emotionalen Ausgleich verspricht mir das?
- Wie kann ich den bekommen?
Mache etwas Großes
Zögern kann ein Zeichen übermäßiger Vorsicht sein. Traditionelle Rollenspiele trainieren uns oftmals an, Risiken zu vermeiden. Sie bringen uns bei, daß wir Sanktionen befürften müssen, wenn wir "etwas dummes tun". Dramatische Geschichten handeln hingegen von Leuten mit emotionalen Antrieben, die oft mehr aus Zwängen heraus handeln und weniger aus Kalkül.
Entsprechens bestraft DramaSystem dich nicht dafür riskante, waghalsige Entscheidungen zu fällen. Dein Charakter wird nicht sterben, solange du das nicht willst. Indem du die Umstände eskalierst, erzeugst du gewöhnlich mehr Spaß für dich und jeden anderen. Wird die Zögerlichkeit über Bord und befreie die Handlung aus ihren Eisenbahnschienen, indem du dich fragst:
- Was will ich jetzt gerade?
- Was ist der größte, mutigste, riskanteste oder überraschenste Schritt, den ich jetzt machen könnte?
- Wen brauche ich dafür und was will ich von demjenigen?
- Wie bekomme ich das?
Folge einer Eingebung
Benutze ein zufällig ermitteltes Stichwort um dich zu einer Komplikation oder einem emotionalen Ziel zu inspirieren. Die "Oblique Strategies" Karten (gibts auch als APP und auf diversen Seiten im Netz), Zufällige Wort- oder Bildgeneratoren oder ähnliche Werkzeuge erfüllen diesen Zweck.
Von diesem so ermittelten Stichwort assoziiere frei von einer Komplikation zu einer Absicht oder auch direkt zu einer Absicht. Und darauf baut man dann seine Szene.